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So Much News, So Little Time

Kenner der Daily Show wissen sofort, was hier gemeint ist: Es gibt derart viele Neuigkeiten zu unseren Themen, dass wir diese in einem Roundup zusammenfassen. Sie kennen die hervorragende Daily Show – das US-Vorbild der heute show – noch nicht? Dann können Sie dies etwa auf Youtube nachholen.

Bergkarabach-Krieg

Die Europäische Union und insbesondere die Bundesregierung bleiben sich treu: Der türkisch-aserbaidschanische Angriffskrieg gegen Bergkarabach sowie die nur temporär reduzierte Aggression gegen Griechenland und Zypern, der Kampf gegen die türkische Opposition – all dies soll weiterhin mit Geld und Wertschätzung belohnt werden:

Die besondere Herausforderung der Migration (…) können wir nur gemeinsam mit der Türkei lösen. (…) Daher ist es mir wichtig, zu betonen, dass der Türkei für das Geleistete hohe Anerkennung gebührt. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir die EU-Türkei-Erklärung neu beleben und auch fortentwickeln.

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 25.03.21 im Deutschen Bundestag

Somit reiht sich der Umgang mit dem Autokraten Erdogan ein in die zahlreichen Kapitel einer falschen Außenpolitik gegenüber den Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten: Hauptsache Stabilität und Ruhe – und sei es Friedhofsruhe. Ein kluges Buch über dieses fortgesetzte Versagen deutscher und europäischer Außenpolitik, zumal nach dem Arabischen Frühling, hat der Journalist Jörg Armbruster geschrieben.

In Armenien ist derweil ein dramatischer Machtkampf zwischen Regierungschef Nikol Paschinyan und Vertretern der Vorgängerregierung entbrannt, die ihn für die verheerende Niederlage verantwortlich machen. Geschwächt hätten das kleine Land vor allem Oligarchie und Korruption, hält Paschinyan entgegen. Am 20. Juni sollen nun vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden.

Warum Deutschland sich angesichts des Angriffskriegs mit tausenden Toten so vornehm zurückhielt? Die Aserbaidschan-Affäre der Union könnte ein gewichtiger Teil der unrühmlichen Antwort sein.

Mord an Hrant Dink

Die Türkei hat tatsächlich einige – so heißt es zumindest – Hintermänner des Mordes an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink verurteilt, allesamt ranghohe frühere Polizisten. Hintergrund für die lebenslangen Haftstrafen dürfte im Unrechtsstaate Erdogans sein, dass die derzeit der Öffentlichkeit präsentierten Täter der Gülen Bewegung zugerechnet werden und somit nicht mehr unter dem Schutz des Regimes standen. Familie und Freunde von Hrant Dink bleiben aus gutem Grund äußerst skeptisch:

Gegen das Istanbuler Gouverneursamt und Beamte des türkischen Nachrichtendienstes MIT wurde überhaupt nicht ermittelt.

Hakan Bakircioglu, Anwalt der Familie Dink, gegenüber der Deutschen Welle

Hrant Dink hatte es gewagt, in der Türkei über den Völkermord an den Armeniern sowie die Frage zu sprechen, ob die Adoptivtochter des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk in Wirklichkeit armenischer Herkunft war.

Völkermord in Ruanda

Leser des erschütternden Buches „Handschlag mit dem Teufel“ des kanadischen UN-Kommandeurs Romeo Dallaire über den im Jahr 1994 binnen weniger Tage vor seinen Augen geschehenen Völkermord an 800.000 Menschen in Ruanda werden nicht überrascht gewesen sein: Vor wenigen Tagen kam ein umfassender Bericht einer Historikerkommission, welche der französische Präsident Emmanuel Macron eingesetzt hatte, zu dem Ergebnis, Frankreich trage eine „Mitverantwortung“ am Genozid.

Frankreich hat den ethnischen Rassismus des damaligen ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana und sein gewalttätiges Regime bedingungslos unterstützt und damit dazu beigetragen, dass es zum Genozid kommen konnte.

Bericht unter der Leitung von Vincent Duclert, zitiert nach tagesschau.de

Kritiker weisen darauf hin, dass „Mitverantwortung“ angesichts der massiven Verstrickung und Militärhilfe der Regierung Mitterand während des Völkermords doch weit hinter dem zurückbleibt, um was es hier tatsächlich gehe: Mittäterschaft. Der Rest Europas und die USA verhielten sich während des Genozids zurückhaltend bis desinteressiert. Bis heute. Die Entführung des Filmhelden aus „Hotel Ruanda“, Paul Rusesabagina, in Dubai und seine Verschleppung nach Ruanda für einen Schauprozess wurden allenfalls am Rande beachtet.

Herbert Quandt Medien-Preis

Der Autor dieser Zeilen hat im Jahr 2011 für das ZDF heute-journal über die NS-Verstrickungen des späteren „BMW-Retters“ und Vorzeigeunternehmers Herbert Quandt berichtet. Erstmals hatte die herausragende ARD-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ im Jahr 2007 einer breiten Öffentlichkeit die Verbrechen von Herbert Quandt und dessen Vater Günther Quandt gezeigt. In München wird gerade die Umbenennung der „Herbert-Quandt-Straße“ diskutiert. Dingolfing, Göttingen und Hildesheim könnten darüber laut Google Maps auch einmal nachdenken.

Die nach Herbert Quandts dritter Ehefrau benannte „Johanna-Quandt-Stiftung“, deren Kuratorium der Sohn und BMW-Großaktionär Stefan Quandt vorsitzt, verleiht trotz zuvor geäußerter „Scham“ nebst Auftragsstudie bis heute unbeeindruckt den Herbert Quandt Medien-Preis „im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers Dr. h.c. Herbert Quandt“ mit dankbaren Abnehmern in deutschen Medienhäusern und Rundfunkanstalten – immerhin werden jedes Jahr 50.000 € verteilt.

Im Kuratorium der Stiftung, welches zugleich als Jury für den KZ-Planer-Preis fungiert, sitzen derzeit auch die Programmgeschäftsführerin von Phoenix Michaela Kolster, die frühere RTL-Chefredakteurin Tanit Koch, der Chefredakteur von Capital Horst von Buttlar, sowie der Geschäftsführer von NZZ Deutschland Jan-Eric Peters.

Nominiert sind 2021 Veröffentlichungen von BR, DLF, HR, NDR, SR, ZDF, Capital, netzpolitik.org, Hamburger Abendblatt, Nordkurier, brandeins und – taz. Natürlich nicht deren beiden Artikel aus den Jahren 2019 und 2020 vom Autor dieses Roundups über den NS-Unternehmer Quandt.

Nachtrag vom 09.04.21: Die taz teilt auf Anfrage mit, dass ihre bereits nominierten Autoren die Bewerbung um den diesjährigen Herbert Quandt Medien-Preis nun zurückgezogen haben.

China und seine Konzentrationslager

Nach den verstörenden Berichten über die dunkle Wahrheit hinter der chinesischen Transplantationsmedizin gibt es weitere Recherchen über die Konzentrationslager in Xinjiang.

Die BBC berichtet auf mehrere Quellen gestützt, dass neben schwerster Misshandlung von Lagerinsassen auch medizinische Tests und Zwangssterilisationen an diesen vorgenommen werden.

They underwent unexplained medical tests, took pills, and were forcibly injected every 15 days with a „vaccine“ that brought on nausea and numbness. Women were forcibly fitted with IUDs or sterilised.

Augenzeugin gegenüber BBC

Ein Reporter-Team von CNN hat sich derweil in China auf die Suche nach den vermissten Kindern von Uiguren begeben, die vom Regime ebenso rücksichtslos verfolgt und in Lagern interniert werden wie Erwachsene. 50 internationale Experten stimmen in einer Studie überein: Alle UN-Kriterien für Genozid seien erfüllt.

Natürlich war vieles hiervon auch schon bekannt, während die Bundeskanzlerin Ende vergangenen Jahres in großer Eile, gerade noch rechtzeitig vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten, ein umfassendes Investitionsabkommen der EU mit China auf den Weg gebracht hat.

Die Quandts wird es freuen.