Der armenische Soldat Albert Hovhannisyan starb bei der Verteidigung von Bergkarabach.
Der armenische Soldat Albert Hovhannisyan starb bei der Verteidigung von Bergkarabach.

Bergkarabach: Kampf gegen einen neuen Völkermord

Von Vita

Politik

Es ist ein Angriffskrieg mit Ansage: Spätestens seit dem Sommer dieses Jahres bereiteten die Türkei und Aserbaidschan ihren gemeinsamen Schlag gegen die autonome Region Bergkarabach und die Republik Armenien vor. Wenn manche Journalisten hierzulande zu der abenteuerlichen Einschätzung gelangen, „die Armenier“ hätten Aserbaidschan „vor zwei Jahrzehnten Bergkarabach weggenommen“, zeugt dies nicht nur von umfassender Unkenntnis der geschichtlichen Hintergründe einschließlich des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich mit 1,5 Millionen Toten, den weiteren Massakern an zehntausenden Armeniern in Aserbaidschan sowie der völkerrechtlichen Autonomie von Bergkarabach.

Es belegt auch eine erschreckende Feigheit, einen drohenden Völkermord durch einen NATO-Partner und EU-Beitrittskandidaten klar als solchen zu benennen. Das gleiche journalistische Unvermögen ließ sich schon 1994 beim beginnenden Genozid in Ruanda beobachten. Ein kurzer Blick auf die gezielten Angriffe in Bergkarabach mit türkischen Nato-Kampfjets und Cluster-Munition gegen Wohngebäude und Kindergärten, die grundlegenden militärischen Kennzahlen sowie die öffentlichen Äußerungen der politischen Führungen in Ankara und Baku würde für einen erstaunlich klaren Eindruck bereits genügen.

The head of Azerbaijan has called Yerevan the historical territory of the country. According to Ilham Aliyev, the return of Yerevan is the historical goal of Azerbaijan.

Belsat

Die Türkei steht weiter hinter dem Freund- und Bruderstaat Aserbaidschan. Mit allen Mitteln und aus tiefstem Herzen.

Recep Tayyip Erdogan, WELT

Die Eroberung von Bergkarabach scheint für beide Despoten nur ein Zwischenziel auf dem mittelfristigen Weg in die armenische Hauptstadt Yerevan zu sein. Moderne Waffen, ausgerechnet aus Deutschland und Israel, helfen Aserbaidschan und der Türkei bei ihrem Krieg gegen die Armenier. Die weitere Verfolgung des ältesten christlichen Volkes der Welt ist ein Vorhaben, das viele Türken unterstützen, auch in Deutschland. Zur Verantwortung gezogen werden sie hierfür nicht – im Gegenteil.

Die Leugnung des ersten Völkermords im 20. Jahrhundert, der noch vor dem Genozid der Nazis an den Juden mit dem Begriff „Holocaust“ bezeichnet wurde, steht in Deutschland bis heute nicht unter Strafe. In der Türkei werden die Massenmörder Cemal Pascha, Enver Pascha und Talat Pascha sowie der ebenfalls über zehntausende Leichen gehende Staatsgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ weiterhin verehrt. In türkischen Schulbüchern wird der Völkermord geleugnet – in deutschen Lehrplänen kommt er schlicht nicht vor. Auch die blutigen Jahre davor und danach sind nur Historikern ein Begriff.

Im türkischen Staatsarchiv wurde jetzt ein brisantes Papier von 1937 entdeckt: Eine Bestellung über 20 Tonnen Giftgas in Nazideutschland, abgewickelt über die türkische Botschaft in Berlin – kurz nachdem der zuständige General für Dersim Giftgas angefordert hatte. Unterschrieben von Atatürk. (…) Offiziell wurden damals 13.000 Dersimer vom türkischen Militär umgebracht, Schätzungen gehen von über 50.000 Ermordeten aus.

ARD

I implore Israel to stand with the little Armenia. “Who remembers the Armenians?” Hitler asked in planning the Holocaust. Jews and Armenians are very different from their neighbors. They have a long history and they have survived many wars and invasions.

Giulio Meotti‏ in Arutz Sheva

Mit ihrer finanziellen und militärischen Unterstützung für das Regime in Ankara steht die Bundesregierung in unglückseliger Tradition zum Deutschen Kaiserreich und zu den Nazis. „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht.“ Diese Haltung des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg spiegelt sich im verzweifelten Festhalten Angela Merkels am Flüchtlingsdeal mit der Türkei wieder – koste es, was es wolle. Wie Hohn klingen heute Merkels damaligen Worte zum Abkommen: „Ich werde es jedoch immer verteidigen, weil es allemal besser ist, als dem Sterben in der Ägäis tatenlos zuzusehen.“

Nun sieht die Bundesregierung eben dem Sterben tausender Armenier tatenlos zu und belässt es bei unverbindlichen Worthülsen, während der französische Präsident Emmanuel Macron immerhin die Verantwortung Aserbaidschans und dessen türkischer Waffenbrüder für den Krieg klar benennt. Keine Sanktionen, kein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen, nicht einmal eine Einschränkung der Belieferung mit Rekordmengen an deutschen Waffen: Wie schon beim vorigen Genozid an den Armeniern kann sich die türkische Regierung wieder auf auf die schützende Hand ihrer politischen Juniorpartner in Berlin verlassen.

So ist es ausgerechnet an Russland, eine Wiederholung der Ereignisse von 1915 zu verhindern. Deutschland, Europa und die USA verabschieden sich de facto aus der UN-Völkermordkonvention. Mit verheerenden Folgen, nicht für die christlichen Armenier, sondern etwa auch für die muslimischen Uiguren in China. Aber das ist ein anderer Völkermord…