China: Mord auf Bestellung

Warum sind in China die Wartezeiten auf eine pas­sen­de Leber, Niere oder ein Herz für die Transplantation sehr viel kür­zer als im Rest der Welt? Wieso kön­nen man­che Eingriffe auf den Tag genau vor­aus­ge­plant wer­den? Experten und Parlamentarier sehen nur eine Möglichkeit: Hunderttausendfachen Mord auf Bestellung.

Stellen Sie sich vor, es fin­det ein in sei­ner Monstrosität und Größenordnung nur als Genozid zu bezeich­nen­des Menschheitsverbrechen statt. Seit über 20 Jahren, Tag für Tag bis heu­te, mit nach man­chen Schätzungen um die 1,5 Millionen Todesopfern. Auf dem Staatsgebiet einer auf­stre­ben­den Weltmacht und unter den weit­ge­hend geschlos­se­nen Augen der Welt, auch der Bundesregierung. Schwer zu glau­ben? In der Tat. Doch das waren der Völkermord an den Armeniern, der Holocaust und der Genozid in Ruanda für vie­le Zeitzeugen anfangs auch. Und die Belege sind erdrü­ckend.

Bereits im Jahr 2005 gab es ers­te Berichte, wonach in China seit Ende der Neunzigerjahre nicht nur die Organe von hin­ge­rich­te­ten Strafgefangenen für Transplantationen ent­nom­men wer­den, son­dern dar­über hin­aus tau­sen­de Insassen von Arbeitslagern, haupt­säch­lich Glaubensgefangene der staat­lich ver­folg­ten Falun-Gong Meditationspraktik sowie Uiguren, als „leben­der Organpool“ ver­wen­det wer­den: Routinemäßig prü­fen Ärzte ihre Eignung als Spender, damit sie bei ent­spre­chen­der Nachfrage kurz­fris­tig in einem nahe­ge­le­ge­nen Krankenhaus bei leben­di­gem Leib aus­ge­wei­det und ermor­det wer­den kön­nen.

Die chi­ne­si­sche Regierung wies dies stets zurück, bis der Direktor des chi­ne­si­schen Komitees für Organspende und ehe­ma­li­ge Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu im Jahr 2010 ein­räum­te, dass mehr als 90 % der toten Spendern ent­nom­me­nen trans­plan­tier­ten Organe von in China hin­ge­rich­te­ten Gefangenen stam­men wür­den.

Das Europäische Parlament bekun­det sei­ne tie­fe Besorgnis ange­sichts der anhal­ten­den und glaub­wür­di­gen Berichte über sys­te­ma­ti­sche, vom Staat gebil­lig­te Organentnahmen an Gefangenen aus Gewissengründen in der Volksrepublik China, die ohne Einwilligung der Betroffenen erfol­gen.

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Organentnahmen in China

Das über­ra­schen­de Eingeständnis der chi­ne­si­schen Regierung, die Organe von „hin­ge­rich­te­ten Gefangenen“ zu ver­wen­den, ver­bun­den mit der Ankündigung, die­se Praxis bis zum Jahr 2015 durch ein Spenderregister nach west­li­chem Vorbild erset­zen zu wol­len, kann als geglück­tes Ablenkungsmanöver betrach­tet wer­den: Die ohne­hin spär­li­che Medienberichterstattung über das Thema fokus­sier­te sich fort­an hier­auf und der von Huang Jiefu kei­nes­wegs ent­kräf­te­te Vorwurf des „Mords auf Bestellung“ an zum Zeitpunkt der Anforderung ihrer Organe noch leben­den Opfern in Arbeitslagern geriet aus dem Blick.

Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen, wonach den Hingerichteten Leber, Herz oder Nieren oft ohne vor­he­ri­ge Zustimmung und ohne Information an die Angehörigen ent­nom­men wer­den, hat­te die Regierung stets zurück­ge­wie­sen. 

„China been­det Organentnahme bei Hingerichteten“ – Der Spiegel

Seit dem Jahr 2015 soll­ten laut Chinesischer Regierung kei­ne Organe von Hingerichteten mehr ver­wen­det wer­den. Ein ent­spre­chen­des Gesetz wur­de aller­dings nie erlas­sen. Später hieß es, auch Todeskandidaten könn­ten sich „frei­wil­lig“ im neu­en Spenderregister anmel­den. Wie absurd die Idee tau­sen­der frei­wil­li­ger Organspender vor dem Hintergrund über­lie­fer­ter kul­tu­rel­ler Vorstellungen in China ist, hat­te schon das EU-Parlament in sei­ner Resolution fest­ge­hal­ten.

Doch wirk­ten auch bekann­te Mediziner aus dem Westen bereit­wil­lig am Aufbau der Fassade eines ver­meint­lich moder­nen Spenderregisters in China mit, dar­un­ter aus­ge­rech­net der frü­he­re Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft.

Einer der höchs­ten deut­schen Transplantations-Funktionäre, ope­riert jetzt aus­ge­rech­net in China. An einer Klinik, wo vie­le Jahre lang Organe von Hingerichteten trans­plan­tiert wor­den sind.

„Eingeschränkte Moral“ – Süddeutsche Zeitung

Mit der offi­zi­el­len Transplantations-Statistik in China gibt es ein Problem, das man auch von zahl­rei­chen ande­ren Statistiken aus der Volksrepublik kennt: Sie ist voll­stän­dig gefälscht. Die Zahlen sind bereits in sich nicht stim­mig.

Eine Vielzahl von Beweisen deu­tet dar­auf hin, was nach Ansicht der Autoren nur durch sys­te­ma­ti­sche Fälschung und Manipulation der offi­zi­el­len Organtransplantationsdaten in China plau­si­bel erklärt wer­den kann.

BMC Medical Ethics

Insbesondere die auch im Jahr 2020 absurd kur­zen Wartezeiten von weni­gen Wochen oder nur Tagen auf pas­sen­de Organe – in der Coronakrise konn­ten für einen Patienten etwa in Rekordzeit gleich zwei Lungenflügel mit dem rich­ti­gen Gewebetyp auf­ge­trie­ben und trans­plan­tiert wer­den – im Vergleich zur im Rest der Welt vie­le Monate bis Jahre dau­ern­den Zeitspanne, sind star­ke Hinweise auf einen „Organpool“ aus noch leben­den Menschen, für wel­che die „Bestellung“ eines ihrer Organe für einen Empfänger mit iden­ti­schem Gewebetyp den siche­ren Tod bedeu­tet.

Die offi­zi­el­le chi­ne­si­sche Angabe von 10.000 Transplantationen pro Jahr, wobei eini­ge Jahre höhe­re Zahlen auf­wei­sen, ergibt eine offi­zi­el­le Gesamtzahl von 150.000 bis 200.000 Transplantationen seit Beginn der Verfolgung von Falun Gong. Diese Zahl über­steigt bei wei­tem alle Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen zur Zahl der Todesurteile. Es gibt kei­ne ande­re plau­si­ble Erklärung für die Herkunft die­ser Anzahl von Organen als die Tötung von Falun Gong-Anhängern (und in gerin­ge­rem Maße auch von Uiguren, Tibetern und Hauschristen) wegen ihrer Organe. Unsere Aktualisierung zeigt, dass die tat­säch­li­che Anzahl der Transplantationen weit über den offi­zi­el­len Zahlen liegt, und zwar um meh­re­re Hunderttausend.

BLOODY HARVEST / THE SLAUGHTER Update von Staatssekretär Kilgour u.a.

Neben zahl­rei­chen Zeugenaussagen über ver­däch­ti­ge Untersuchungen in Arbeitslagern und im Falle der Uiguren sogar für alle Angehörigen die­ser Minderheit, gibt es auch tele­fo­ni­sche Eingeständnisse betei­lig­ter Ärzte gegen­über ver­deck­ten Rechercheuren, die sich als Patienten aus­ga­ben: Ja, die Organe sei­en von gesun­den, jun­gen Falun Gong Anhängern und die Entnahme erfol­ge natür­lich noch vor Todeseintritt, um beson­ders gute Resultate zu erzie­len. Im Klartext: Die „Spender“ wer­den bei leben­di­gem Leibe auf dem OP-Tisch ihrer Organe beraubt und dabei zu Tode ope­riert.

Bis heu­te liegt die von Experten anhand der Klinikbetten und Eigenwerbung der Krankenhäuser geschätz­te Zahl der Transplantationen um ein Vielfaches höher als die offi­zi­el­le Zahl. Die chi­ne­si­sche Regierung bleibt eine Erklärung schul­dig, woher all die­se Organe kom­men sol­len. Nachprüfbare Informationen zur Herkunft der Organe hat sie trotz wie­der­hol­ter Aufforderung auch durch die Bundesregierung bis­lang nicht zur Verfügung gestellt.

Der Bundesregierung lie­gen kei­ne Erkenntnisse dar­über vor, ob Deutsche nach China zur Transplantation rei­sen. (…) Die Bundesregierung hat die Vorwürfe des Organraubs gegen­über der chi­ne­si­schen Regierung wie­der­holt the­ma­ti­siert, zuletzt unter ande­rem im Rahmen des uni­ver­sel­len Staatenüberprüfungsverfahrens im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf im Herbst 2018. Sie wird dar­in nicht nach­las­sen.

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Parlament
US-Journalist Ethan Gutmann

David Li (China Organ Harvest Research Center) leg­te dar, dass nach Recherchen sei­ner Organisation in China mit dem Zweck des Organraubs staat­lich orga­ni­siert getö­tet wer­de. Opfer sei­en vor allem Anhänger der Falun Gong-Bewegung. (…) Es gebe ein „stream wit­hout a source“, also ein Angebot an Organen, für das China kei­ne glaub­wür­di­ge Quelle benen­nen kön­ne.

Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages

Das China Tribunal unter Vorsitz von Sir Geoffrey Nice QC, der als Staatsanwalt am Internationalen Strafgerichtshof für das ehe­ma­li­ge Jugoslawien tätig war, erklär­te am Ende sei­ner Anhörungen in einer ein­stim­mi­gen Entscheidung, es sei „sicher, dass Falun Gong eine Quelle – wahr­schein­lich die Hauptquelle – für Organe für Zwangsorganentnahmen ist“.

China is har­ve­s­t­ing organs from detai­nees – The GuardianChina Tribunal Judgment
Investigative Dokumentation von Chosun TV, Südkorea

Nur weni­ge Länder wie Taiwan, Israel und Spanien haben expli­zi­te Gesetze gegen den Organtourismus erlas­sen. Angesichts der Größenordnung die­ses nun schon seit min­des­tens 20 Jahren statt­fin­den­den Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit wahr­schein­lich hun­dert­tau­sen­den Opfern stel­len sich aller­dings auch an Politiker, Unternehmen, Mediziner und Medien in Deutschland zahl­rei­che unan­ge­neh­me Fragen.

So pro­du­ziert etwa Volkswagen in einem Joint Venture mit dem chi­ne­si­schen Konzern Saic in der Provinz Xinjiang rund 50.000 Fahrzeuge pro Jahr. Der Vertrag war im Jahr 2012 im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel unter­zeich­net wor­den. In Xinjiang befin­den sich die berüch­tig­ten „Umerziehungslager“ für Uiguren.

Das Ausmaß des „Organ-Tourismus“ von Deutschen, die sich in China eine neue Leber oder ein Herz von einem eigens hier­für ermor­de­ten Uiguren oder Falun-Gong Praktizierenden ein­set­zen las­sen, ist der Bundesregierung laut ihrer Antwort auf eine par­la­men­ta­ri­sche Anfrage nicht bekannt.

Europäer fah­ren nach China und kom­men mit neu­en Organen zurück. Sie tra­gen in sich, was Menschen bei leben­di­gem Leib ent­nom­men wur­de.

Ethan Gutmann in der Wiener Zeitung

Weitere Informationen zum Thema:

China-Tribunal (Deutschlandfunk)

Human Harvest – Dokumentarfilm

The Slaughter: Sachbuch

SENATE OF THE UNITED STATES – S. RES. 274

Studien mit Organen von Hingerichteten (Spiegel Online)

Tod auf Bestellung (Süddeutsche Zeitung)

Ärzte gegen den Organraub

Aktualisierung am 14.06.2021: Vereinte Nationen „sehr beun­ru­higt“

Hat Ihnen die­ser Artikel gefal­len? Werden Sie Mitglied!

Teilen: