KZ Hannover Stöcken Mahnmal
Mahnmal für die KZ-Außenstelle Hannover-Stöcken

Ein fragwürdiger Preis

Am 22. Juni ist es wie­der soweit: Am Geburtstag und zu Ehren von Herbert Quandt, der KZ-Häftlinge ohne Schutzkleidung mit Giftstoffen arbei­ten und ster­ben ließ, neh­men Journalisten Preise im Gesamtwert von 50.000 € ent­ge­gen.

Nachtrag vom 22.06.2020: Auch in die­sem Jahr wur­de der umstrit­te­ne Medienpreis „im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers Dr. h.c. Herbert Quandt“ wie­der ver­ge­ben. Ausgezeichnet wur­den Beiträge von SWR, NDR, ZDF und Weser-Kurier.

Diese ere­por­ter Recherche wur­de auch in der taz publi­ziert.

Zu den Preisträgern beim „Herbert Quandt Medien-Preis“ zähl­ten in den ver­gan­ge­nen drei Jahrzehnten vie­le bekann­te Journalisten so gut wie aller gro­ßen Medien, dar­un­ter BR, NDR, SWR, WDR, ZDF, Spiegel, Bild, Welt, Zeit, FAZ und SZ. Die Auszeichnung wird seit 1986 jähr­lich von der nach Herbert Quandts drit­ter Ehefrau benann­ten Johanna-Quandt-Stiftung ver­lie­hen. Auch die dies­jäh­ri­gen Preisträger wur­den bereits vor der Verleihung ver­kün­det, dar­un­ter das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche.

Die Preisträger und ihre Medienhäuser stö­ren sich bis auf weni­ge Ausnahmen nicht dar­an, dass der mit ins­ge­samt 50.000 € dotier­te Preis den Namen eines NS-Verbrechers trägt: Herbert Quandt, der spä­te­re „BMW-Retter“, beschäf­tig­te als Personalchef in der Akkumulatorenfabrik AG, einer Vorgängerfirma der spä­te­ren Varta, rund 1.500 KZ-Häftlinge für die Batterieproduktion in Hannover-Stöcken. Über 400 Zwangsarbeiter star­ben in dem fir­men­ei­ge­nen, in direk­ter Kooperation mit der SS betrie­be­nen Konzentrationslager, vie­le an Bleivergiftung. „In Stöcken ist man spä­tes­tens nach 6 Monaten tot“, sag­ten die SS-Wachen zu Neuankömmlingen.

Herbert Quandt war als Vorstand und Personalchef der Akkumulatorenfabrik AG für die kata­stro­pha­le Ernährung und Ausrüstung der Zwangsarbeiter direkt ver­ant­wort­lich. Seine Firma kal­ku­lier­te gegen­über der SS mit einer „Fluktuation“, somit der Arbeitsunfähigkeit oder dem Tod, von 80 Zwangsarbeitern – jeden Monat.

In der ARD-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ konn­ten ehe­ma­li­ge KZ-Häftlinge im Jahr 2007 erst­mals einer grö­ße­ren Öffentlichkeit berich­ten, wie sie in Hannover-Stöcken damals 12 Stunden täg­lich ohne jeden Arbeitsschutz mit töd­li­chen Stoffen wie Blei arbei­ten muss­ten und hilf­los den Tod ihrer Mitgefangenen erleb­ten. Spätere Versuche, von der Nachfolge-Firma Varta unter der Leitung von Herbert Quandt eine Entschuldigung zu erhal­ten, wur­den kalt abge­wie­sen.

Nach dem Erscheinen der viel­be­ach­te­ten Dokumentation gab die Familie Quandt eine Studie bei dem Bonner Historiker Joachim Scholtyseck in Auftrag, wel­cher die erho­be­nen Vorwürfe im Jahr 2011 bestä­tig­te. Herbert Quandts Sohn und BMW-Erbe Stefan Quandt bezeich­ne­te die Studie als „schmerz­haft“, sah aber den­noch kei­ne Notwendigkeit, den Preis umzu­be­nen­nen oder ein­zu­stel­len.

Wenn man sein Lebenswerk sieht, den­ke ich nach wie vor, dass man zu einem Gesamtbild kommt, das es recht­fer­tigt, einen Herbert Quandt Medien-Preis zu ver­lei­hen.

BMW-Erbe Stefan Quandt im Jahr 2011

Noch zum Kriegsende hat­te Herbert Quandt per­sön­lich neue Pläne für ein wei­te­res KZ-Außenlager ent­wor­fen. Insgesamt beschäf­tig­ten er und sein Vater Günther Quandt als zwei der ein­fluss­reichs­ten Unternehmer im Dritten Reich knapp 60.000 Zwangsarbeiter.

Stefan Quandt ist heu­te Vorsitzender des Kuratoriums der Johanna-Quandt-Stiftung. Dieses Gremium ent­schei­det über die Preisträger beim Herbert Quandt Medien-Preis. Weitere Mitglieder sind phoenix-Programmgeschäftsführerin Michaela Kolster vom ZDF, Capital-Chefredakteur Horst von Buttlar, der lang­jäh­ri­ge Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters sowie die Chefredakteurin der RTL Mediengruppe Deutschland Tanit Koch. Stefan Quandt ist dar­über hin­aus auch Mitglied im Kuratorium der BMW Foundation Herbert Quandt. Diesem Gremium gehört unter ande­rem der frü­he­re Regierungssprecher und heu­ti­ge BR-Intendant Ulrich Wilhelm an.

Der Vermögenszuwachs der Famile Quandt durch Rüstungsaufträge, Arisierungen und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern war enorm und bil­de­te die wirt­schaft­li­che Basis für die spä­te­re Übernahme von BMW, das heu­te zu gro­ßen Teilen im Besitz von Herbert Quandts Kindern Stefan Quandt und Susanne Klatten ist. Sie haben das Vermögen ihres Vaters geerbt und ver­die­nen allein durch Dividendenzahlungen Milliarden.

Herbert Quandt zähl­te auch in den Fünfzigerjahren zu den reichs­ten Deutschen. Als frü­he­res NSDAP-Mitglied zwang er eine Mitarbeiterin, für ihn unter Eid aus­zu­sa­gen, dass er kein Nationalsozialist gewe­sen sei. Die Briten hör­ten das Gespräch ab, doch hiel­ten sie ihre schüt­zen­de Hand über den Unternehmer und bewahr­ten ihn sowie sei­nen Vater vor den Nürnberger Anklägern. Denn die Quandt-Batterien, wel­che zuvor in vie­len deut­schen Waffen zum Einsatz gekom­men waren, soll­ten nun auch für das bri­ti­sche Militär von Nutzen sein.

Auf der Webseite der Johanna-Quandt-Stiftung für den „Herbert Quandt Medien-Preis“ ist bis heu­te von den angeb­lich hohen Idealen des Unternehmers Herbert Quandt die Rede:

Der Medien-Preis wird im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers Dr. h.c. Herbert Quandt ver­lie­hen. (…) Das Wirken von Herbert Quandt war gekenn­zeich­net von sei­nem enga­gier­ten Bekenntnis zu frei­heit­li­chem Unternehmertum und sozia­ler Marktwirtschaft. Nach sei­nem Wunsch soll­te der Unternehmer als Mensch wahr­ge­nom­men wer­den, des­sen Tun und Handeln sich über den öko­no­mi­schen Nutzen hin­aus an der Verantwortung für die Gemeinschaft aus­rich­tet.

Webseite der Johanna-Quandt-Stiftung

Zu den Taten des Herbert Quandt in der NS-Zeit fin­det sich auf der Webseite des nach ihm benann­ten Journalistenpreises hin­ge­gen kein ein­zi­ges Wort. Auf die Scholtyseck-Studie wird nur ganz all­ge­mein hin­ge­wie­sen:

Das unter Leitung von Joachim Scholtyseck ste­hen­de Forschungsprojekt reicht von der Kaiserzeit des 19. Jahrhunderts bis zum Tode Günther Quandts in den fünf­zi­ger Jahren des 20. Jahrhunderts, und schließt somit auch die unter­neh­me­ri­schen Anfänge Herbert Quandts mit ein.

Webseite der Johanna-Quandt-Stiftung

Mit die­sen kon­kre­ten Zitaten kon­fron­tiert, ver­weist die Johanna-Quandt-Stiftung erneut auf die Scholtyseck-Studie sowie auf ein ZEIT-Interview im Jahr 2011:

Zu Ihren Fragen möch­te ich Ihnen mit­tei­len, dass die Geschichte der Familie Quandt in den Jahren 1993 bis 1945 in einer umfas­sen­den und unab­hän­gi­gen Studie inten­siv beleuch­tet und dar­ge­stellt wor­den ist. Frau Gabriele Quandt und Herr Stefan Quandt haben in einem Interview mit der „ZEIT“ die Ergebnisse der Studie aus Sicht der Familie ein­ge­ord­net und kom­men­tiert.

Stellungnahme der Johanna-Quandt-Stiftung

Zahlreiche Medien schmü­cken sich in Mitteilungen ger­ne mit dem Erhalt des Preises, dar­un­ter etwa der Spiegel im Jahr 2017 oder das ZDF im Jahr 2018. 2008 hat­te sich der dama­li­ge Spiegel Chefredakteur wegen der Vorwürfe noch aus dem Kuratorium zurück­ge­zo­gen und 2009 hat­te der Spiegel das Preisgeld noch gespen­det. Der Autor die­ses Artikels berich­te­te 2011 für das ZDF heute-journal über die erschre­cken­den Ergebnisse der Scholtyseck-Studie.

Am 22. Juni 2019 wer­den dann die nächs­ten 50.000 € fei­er­lich im Namen des NS-Verbrechers Herbert Quandt an Journalisten aus Deutschlands bekann­tes­ten Medienhäusern ver­ge­ben.

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