Die vergessenen Themen

Von Vita

Medien

Die erstaunliche Schwäche vieler Medien dabei, Themen nach ihrer tatsächlichen Bedeutung zu gewichten, ist allenfalls ökonomisch nachvollziehbar. Eine Folge sind dramatische Informationslücken.

Aktualisierte Fassung vom 22.09.2019.

Auch nach zwan­zig Jahren im Medienbetrieb ist es immer wie­der erschüt­ternd zu sehen bzw. zu lesen, mit wel­cher Gewichtung Leitmedien die ver­meint­lich Top-Themen abbil­den. Wer nicht regel­mä­ßig die hin­ters­ten Seiten einer (Online-) Zeitung auf­schlägt oder öffentlich-rechtliche Nischenangebote wie Arte und Phoenix ver­folgt, erfährt von vie­len hoch­re­le­van­ten Themen gar nichts bis viel zu wenig.

Nur vier Beispiele:

- Der ver­hee­ren­de Krieg im Jemen, in wel­chem auch Kriegsgerät aus Deutschland zum Einsatz kommt, ist erst seit dem Kashoggi-Mord ein halb­wegs regel­mä­ßi­ges Thema in der Berichterstattung gewor­den. Eine gute Zusammenfassung zu unse­rem unsäg­li­chen Umgang mit der größ­ten huma­ni­tä­ren Katastrophe unse­rer Zeit fin­det sich bei n‑tv.

- Im Ostkongo sind in den ver­gan­ge­nen 20 Jahren nach Schätzungen der Vereinten Nationen „vier bis fünf“ Millionen Menschen gewalt­sam zu Tode gekom­men. Derzeit sei­en „8,5 Millionen Menschen, dar­un­ter 5,5 Millionen Kinder“ auf huma­ni­tä­re Unterstützung ange­wie­sen, laut Unicef droht „400.000 Kindern“ der Hungertod. Legte man bei der Nachrichtenauswahl Artikel 1 der UN-Menschenrechtscharta zu Grunde, wäre dies ein­deu­tig ein Aufmacherthema – und zwar jeden Tag!

Bezeichnenderweise geschah schon eines der zugrun­de­lie­gen­den Ereignisse, der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994, unter den geschlos­se­nen Augen der Welt(medien)öffentlichkeit. Auch der direk­te Zusammenhang unse­rer Nachfrage nach dem Rohstoff Coltan für Smartphones und Computer mit der Situation im Herkunftsland Nr. 1 ist hier­zu­lan­de weit­ge­hend unbe­kannt.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Artikel 1, Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen

- In Mexiko tobt ein Drogenkrieg, der immer mehr außer Kontrolle gerät. Allein die Zahlen für 2017 sind dra­ma­tisch: Über 20.000 Menschen star­ben. Auch in Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua gehö­ren Drogen- und Menschenhandel,  Schutzgelderpressung und Mord zum Alltag. Über die Hintergründe berich­ten nur weni­ge Medien.

- Nordkorea beherrsch­te durch das Treffen von Präsident Kim mit US-Präsident Trump zwar kurz die Schlagzeilen – das men­schen­ver­ach­ten­de Lagersystem für poli­ti­sche Gefangene kam aller­dings nur am Rande vor. Amnesty International schätzt die Zahl der Insassen auf 120.000 Männer, Frauen und Kinder. Hinzu kommt die Mangelernährung von hun­dert­tau­sen­den wei­te­ren Menschen.

Hat Ihnen die­ser Artikel gefal­len? Werden Sie Mitglied!

Teilen: